Freiheit zum Dessert

INFO

Paperback
224 Seiten, EUR 14,80
ISBN: 9783903273115
E-Book ISBN: 9783903273122
Erscheinungsdatum: 08/2022
Sprache: Deutsch

INHALT

Es darf wieder gelacht werden. In puncto Humor, Wortwitz und schalkhaftem Blick auf das Leben hat die Autorin nochmals einen Gang zugelegt. Die Protagonistin Uschi Grünbach muss nach der Scheidung allein zurechtkommen, will sich neu definieren und hat einen Berg von Fragen zu lösen: Wohin mit dem sinnlosen Ehering? Fallschirmspringen, töpfern oder Kochkurs zur Selbstverwirklichung? Speed-Dating, ein Ex aus der Versenkung oder als sanfter Einstieg in die Erziehungsmaßnahmen doch lieber ein Hund als Begleiter?

Und warum stolpert sie, die kein Fettnäpfchen auslässt, ausgerechnet in den „Grübchenmann“?

Ein humorvoller Mutmacher für alle Trennungsopfer, die einmal in der ersten Reihe stehen und nicht immer nur unten liegen wollen. 

LESEPROBEN

Leseprobe 1

 

Was an einem Morgen gut sein soll, weiß der Geier.

Oder der Kuckuck.

Es ist mir allerdings schleierhaft, warum ausgerechnet diese beiden Exemplare aus der Ornithologie davon eine Ahnung hätten. Also fragen Sie mich erst gar nicht. Dass sie einen besonders hohen IQ aufweisen oder etwa als allwissend bezeichnet werden können, wäre mir neu. Obwohl ich es ihnen von Herzen gönnen würde, sind die zwei doch keine wirklich sympathischen Vertreter ihrer Spezies, meiner bescheidenen Meinung nach. Der eine stürzt sich auf unschuldige Lämmchen oder begeht zumindest Leichenfledderei, der andere lässt seine Brut von naiven Artgenossen aufziehen, um sich nervige Konflikte mit dem Nachwuchs über gesunde Nahrungsaufnahme im Trotzalter und zeitgerechtes Heimkehren ins Nest während der Pubertät vom Leibe zu halten.

Der Teufel, der in dieser Redewendung ebenfalls gern bemüht wird, weiß es sicher nicht. Nicht, weil er prinzipiell unbewandert ist, was menschliche Gefühle und Gemütszustände betrifft. Da versteht er recht geschickt zu manipulieren, will man alten Sagen und Legenden Glauben schenken. Aber der Teufel, so heißt es, schläft ja nicht, davon zeugen im Übrigen seine roten Augen. Für den Kerl besteht demnach kein Unterschied zwischen ausgeschlafen und unausgeschlafen.

Für mich schon. Und wie! Meine Augen sind frühmorgens ziemlich verquollen, wollen nicht und nicht aufgehen, was mir in den Minuten nach dem Auf­stehen wenigstens meinen Anblick im Spiegel erspart. Der ist erst nach einer längeren Metamorphose zu ertragen.

Als wäre die Verwandlung in ein halbwegs akzeptabel und vertrauenswürdig aussehendes menschliches Wesen nicht genug, beansprucht auch mein Geist eine gewisse Anlaufphase beim Start in den Tag. Wobei der dynamische Begriff »Start« die verzweifelten Versuche, ein neues Kapitel meiner Biografie anzugehen, blanker Euphemismus ist. Ich bin morgens regelrecht zerschlagen. Ein Schicksal, das eigentlich meinem Wecker gebührte. Nur hat der den Riesenvorteil, in meinem Handy zu wohnen. Das hat ihm wiederholt das Leben gerettet.

In früheren Jahrhunderten drehte man Hähnen, die einen zu nachtschlafender Stunde weckten, einfach den Hals um. Mittags wurde aus ihnen eine köstlich-stärkende Suppe gekocht, mit den kratzigen Krallenfüßen ließ sich ängstlichen Kindern gehöriger Schrecken einjagen und mit einigen bunten Schwanzfedern keck der abgetragene Hut aufmotzen. Gute, alte Zeit!

Nach der Erfindung des Weckers konnte man diesen, sobald er einem lästig war, immerhin aus dem Fenster werfen und – hatte man Glück und Treffsicherheit – den Nachbarn damit erwischen, der frohgemut und falsch vor sich hin pfeifend am Haus vorbeischritt.

Meinem Handy tu ich so etwas nicht an. Bei einem deftigen Aufprall wäre ja nicht bloß der Weckruf im Eimer, sondern ebenso meine Kontaktliste. Weiters die Wetter-App, das Navigationsprogramm und meine unverzichtbare Hilfe Siri, die sich von Sonnenaufgang bis spätnachts gleichermaßen apart und ausgeglichen erkundigt, wie sie mir behilflich sein kann. Der würde ich manchmal gern den Hals umdrehen. Diesem Musterexemplar an Engelsgeduld und unermüdlicher Ergebenheit. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Machos eine kleine, demütige Asiatin ins Land holten, die ihnen jeden Wunsch von den Augen ablas. Heute wollen alle Siri mit der sanften Stimme. Doch ich traue mich wetten, auch die wird sich über kurz oder lang emanzipieren und ihrem Herrn und Gebieter entgegenschleudern: »Lass mich in Ruhe. Nerv‘ Alexa, die Schlampe. Ich hab‘s satt, ständig nach deinen Wünschen zu fragen, weck‘ dich selbst! Und für das ›w‹ statt dem ›l‹ im ›weck‘‹ kannst du mir noch dankbar sein!«

Leider bedeutet geweckt werden nicht dasselbe wie munter sein. Und munter nicht dasselbe wie ausgeschlafen. Dafür gibt es bislang kein geeignetes Feature. Wenn ich gefühlsmäßig um Mitternacht, also ungefähr gegen sieben, vom Signalton aufgescheucht ins Badezimmer taumle, wirke ich wie eine Blinde, die zum ersten Mal ins Sonnenlicht blickt. Ganz egal, wie viele Stunden Schlaf ich hinter mir habe. Trotzdem bin ich kein Morgenmuffel im herkömmlichen Sinn. Zum Muffeln habe ich eindeutig zu wenig Energie. Erst eine Dusche am Tagesbeginn bewirkt das tägliche Wunder. Soeben war ich noch völlig neben der Spur, schlapp und grantig, schon bin ich völlig neben der Spur, schlapp und grantig … mit frischem Aprikosengeruch.

Derartig verwandelt setze ich den Transfer in mein eigentliches Ich in der Küche fort.

Das morgendliche Ritual läuft dort dank hundertfacher Wiederholung nahezu wie von selbst ab. Lediglich mit der richtigen Reihenfolge kämpfe ich des Öfteren. Mein Intellekt befindet sich eben noch im Hochfahrmodus. Wichtige Daten wie Raumorientierung, Hand-Mund-Koordination sowie Informationstransfer vom Gehirn an die ausführenden Organe müssen erst in den Arbeitsspeicher geladen werden. Das geht nicht von jetzt auf gleich bei einem Modell meines Jahrgangs. Jeder Versuch, meine Energieeinstellung durch eine optimierte Konfiguration upzugraden, endete kläglich. Wobei die Marmelade unter der Butter aufs Brot zu streichen, einer von den harmloseren Systemfehlern ist. Wesentlich unangenehmer sind die Resultate, wenn ich erwartungsvoll »On« drücke, bevor ich eine Tasse unter den Ausgabehahn des Kaffeeautomaten gestellt habe.

Den Espresso in Form eines sich ausbreitenden braunen Sturzbachs über die Theke Richtung Boden rinnen zu sehen, hat zumindest ähnlich belebende Wirkung wie Koffein. Allerdings raubt mir die Rückholaktion kostbare Minuten und den Großteil des heißen Gebräus. Mittlerweile lege ich das Wettex in vorauseilender Umsicht bereit, bevor ich überhaupt etwas verschütte. Ganz nebenbei absolviere ich so meinen Morgensport. Kniebeugen beim Aufwischen des Bodens, Handgelenkmobilisationsübungen (Auswringen des Putzlappens) und mehrfacher Kurzstreckenlauf zwischen Kühlschrank, Anrichte und Esstisch. Denn, kaum habe ich erschöpft am Sessel Platz genommen, merke ich, dass die Kaffeetasse leider nicht unaufgefordert mitgekommen ist und die Milchpackung nach wie vor heraußen steht. Ich quäle mich also erneut hoch, stelle das volle Häferl in den Kühlschrank und wanke mit dem Tetra Pak zum Tisch.

Das sind jene Tage, da komme ich aus dem Kopfschütteln echt nicht raus. Übrigens nicht ratsam mit einem vollen Gefäß in der Hand. Glauben Sie mir das ruhig. Oder probieren Sie es gern aus!

 

Leseprobe 2

 

Kann man überhaupt einen mittelmäßigen Neuanfang starten? Wenn‘s eine kann, dann ich. Folglich kam mein geplantes Abenteuer »Speeddating« wie gerufen.

Grundlegende Erkenntnis: Wow, so viele Männer gibt es, denen es an Muße für ein gemütliches Kennenlernen, den primitivsten Benimm-Regeln, einem Aussehen, das – trotz diskreter Beleuchtung – jede nicht durch und durch notgeile Frau in die Flucht schlägt und einem Intelligenzquotienten im akzeptablen Bereich fehlt? Und die sich nichtsdestotrotz für unwiderstehlich halten. Ein Saal voller Kandidaten zur Castingshow »Testosteronspiegel gesucht«.

Am Eingang des Etablissements hieß mich eine Frau um die 50, der die Eurozeichen in den Augen standen und deren Ausstrahlung mit jener eines toten Karpfens wetteiferte, willkommen. Wobei jeder verblichene Fisch das Charisma betreffend deutlich im Vorteil gewesen wäre.

Meine Ernüchterung setzte sich im Saal bei der Erklärung des Ablaufs durch die Fischtante fort. Die Fragen, die von den Teilnehmenden gestellt wurden, verhießen nichts Gutes. Was, bitte schön, ist »Beim Gong wechseln die Herren im Uhrzeigersinn zum nächsten Tisch« nicht zu verstehen? Aber offenkundig versteckten sich zahlreiche Stocktaube, über das eigene Geschlecht Unaufgeklärte und völlig Orientierungslose in der partnersuchenden Menge.

Sicherheitshalber durften die Frauen sitzenbleiben, was sowohl angesichts des Blondinenanteils in der Gruppe als auch der allgemeinen Zuschreibung, Frauen fehle es an Orientierungssinn, günstig war. Ich gebe gern zu, dass man unsereins hie und da »Das andere Links!« zurufen muss, dafür suchen Männer minutenlang das Stück Butter im Kühlschrank, das direkt vor ihren Augen liegt. Vom Zurechtfinden in Damenhandtaschen will ich gar nicht anfangen. Da geben die meisten Herren schon beim ersten Blick in die gefächerten Tiefen auf.

Mir und meinem Tisch wurde ein Mann fortgeschrittenen Alters mit einer Hornbrille, deutlichen Geheimratsecken und großen, gelblichen Zähnen zugeteilt. Entweder wollte er wegen seines ungepflegten Gebisses den Mund nicht öffnen oder er war extrem schüchtern. Oder wortkarg. Oder taktvoll. Also eröffnete ich das Gespräch. Ich wollte schließlich etwas haben um mein Geld. Und mein Gegenüber kennenlernen.

»Hi! Ich bin die Uschi und …«

Weiter kam ich nicht.

»Kannst du kochen?«, fiel er mir ins Wort. »Weißt, die Mama ist vor drei Wochen gestorben. Am liebsten esse ich Bauernschmaus …«

Ups, wo blieb der Gong? Was sollte ich mit dem reden? Meine Sorge war allerdings ziemlich überflüssig, ich kam nicht mehr zu Wort. So viel zu taktvoll. Und wortkarg. Und schüchtern. Mit Tränen in den Augen erzählte er mir von seiner geliebten Mutter, der sichtlich keine Frau, die er ihr vorstellte, gut genug für ihren Buben gewesen war.

»Hände weg«, riet meine innere Stimme, deren Hinweis ich nicht wirklich brauchte. Ich sehe mich weder als Ersatzmama geschweige denn als Köchin.

Deshalb stellte ich bei meinem nächsten Gesprächspartner sofort unmissverständlich klar: »Hi! Ich bin die Uschi und ich kann NICHT kochen …«

Der junge Mann (und wenn ich jung sage, meine ich jung, was an seinen Pickeln, der verkehrt herum aufgesetzten Kappe und seinem steten, unsteten Blick auf die mit einem leisen Bimmeln im Sekundentakt einlangenden Messages auf seinem Smartphone erkennbar war) starrte mich an. Die Verarbeitung meiner Bemerkung stieß auf unüberwindbare Hindernisse. Festplatte gecrackt?

»Hä? Was geht ab?«, wollte er kaugummikauend wissen. »Wahnsinn! Ich hab‘ noch nie mit einer 40-Jährigen gepennt! Geh‘n ma zu dir, weil in meiner WG is‘ kein Platz …«

Ich stand auf, schritt zur erstaunten Empfangsdame und drosch auf den Gong. Für die Schätzung auf 40 hätte ich am liebsten auch ihn verdroschen, wollte jedoch nicht riskieren, durch einen gezielten Schlag die letzten seiner Hirnzellen in Mitleidenschaft zu ziehen. Er war jetzt schon einfältig wie ein Schokoladenkeks. Unter entrüstetem Raunen trabte ich zurück an meinen Tisch, an dem sich (endlich!) ein Mann aus meiner Altersgruppe niedergelassen hatte.

»Hi! Ich bin die Uschi und bin sicher, deine Mama erfreut sich bester Gesundheit, du kannst selbst kochen, wohnst in keiner WG und hast schon mal mit einer 40-Jährigen geschlafen …«

Er schüttelte den Kopf.

»Erich, nein … – keine WG, ja …«, zur Abwechslung nickte er heftig, »mhm, mit einer 40-Jährigen … ja, … öfter, manchmal mit mehreren gleichzeitig. Also, ich lebe in einem Wohnwagen. Jahraus, jahrein! Außerdem habe ich ein irr geiles Kraut zu rauchen. Der Ostbahn Kurti ist mein Idol.«

Wie befürchtet, begann er leise und falsch zu singen: »I leb mitn Rock and Roll, glaub ma i leb ned allaa.«

Glaubte ich ihm aufs Wort. In diesem Moment fand ich das Singledasein halb so wild, nahezu erstrebenswert. Nun, dieser Schuss ging gehörig nach hinten los. Obwohl, eigentlich war bislang gar niemand zum Schuss gekommen! Viel Zeit zum Philosophieren hatte ich nicht, einer aus der Opa-Generation hatte mir gegenüber Platz genommen. Mir verschlug es meinen Vorstellungssatz. Sollte das womöglich …

»Ich äh … Herr äh… Wow … na sowas!«

»Hallo, schönes Kind! Ich suchert nach meinem Mausi, Bambi, Spatzi, Katzi neuerdings ein Froschi! Und auf den Opernball nehmert ich dich auch mit!«

Impulsiv sprudelte es aus mir heraus: »Äh, ja, tut mir leid, eigenartigerweise steh‘ ich seit grad ausschließlich auf Frauen.«

Den Gong wartete ich nicht ab. Ich sprang abermals auf, und draußen war ich – schnell wie ein Jaguar, wenn wir schon bei Tiernamen sind. Und das sind bekanntlich die von der flotten Sorte, sowohl die mit Rädern als auch die vierbeinigen. So gesehen verdiente das Speeddating seinen Namen voll und ganz.

Geschockt wie ich war, stolperte ich blindlings davon, einfach in die nächste Bar hinein. Direkt in die Arme eines blendend aussehenden Mittvierzigers.

Mit den Worten »Nanu, ein gefallener Engel?!« fing er mich auf.

»Huch!«, erwiderte ich wortgewandt.

Er strahlte mich an, als hätte ich soeben eine umwerfende Dankesrede nach Überreichung des Literaturnobelpreises gehalten. Einen Augenblick zu lange musterte ich meine neue Bekanntschaft. Er hatte die ideale Größe, die ideale Figur, ein ideal geschnittenes Gesicht – verglichen mit meiner Mittelmäßigkeit.

»Ich begleite Sie lieber an die Bar, bevor Sie noch weitere Gäste aus dem Gleichgewicht bringen«, schmunzelte er mit einem Augenzwinkern, in das ich mich schnurstracks verliebte.

»Ähm … soso … hm«, parierte ich schlagfertig.

Die von mir besuchten Seminare »Kommunikation I« und »Kommunikation II« waren demnach nicht gänzlich umsonst gewesen. Allein diese Stimme. Durften gutaussehende Männer zu allem Überfluss so wohltönende Laute von sich geben? Tief und angenehm, schmelzend und rau in einem, die ohne Vorwarnung meine feinen Nerven an speziellen Stellen kitzelten?

Gewandt bugsierte er mich durch die Menschenmenge, ich rückte mein imaginäres Krönchen zurecht, beutelte meine Unzulänglichkeit ab wie ein Foxterrier die letzten Regentropfen aus seinem Fell und humpelte neben meiner Eroberung Richtung Theke. Der Anprall dürfte nicht nur meine Kniescheibe, sondern simultan jenes Areal im Gehirn, das für die morphosyntaktische Sprachverarbeitung zuständig ist, gründlich angeknackst haben.

Mit einem »Hmpf« hebelte ich mich auf den Barhocker. Ausgezeichnet, dass ich meine Konversationsfähigkeit rechtzeitig anknipsen konnte. Mein Begleiter nahm an meiner Seite Platz und strahlte mich unablässig an. Er hatte ein bezauberndes Lächeln. Dieses besondere mit süßen Grübchen neben den Mundwinkeln und einem schalkhaften Funkeln in den grünen (verdammt) Augen. Ich sah ihn ein weiteres Mal eine Sekunde zu lang an. Im Repertoire »Peinlichkeiten bis zum Abwinken« hatte ich einiges drauf. Bevor die Situation unangenehm werden konnte, rief er dem dunkelhäutigen Mann hinter dem Tresen zu: »Zwei Bier, bitte!«

»Für mich auch!«, hörte ich mich ordern.

Schlagartig hatte ich mein Sprachvermögen wiedergefunden, das logische Denken hinkte gewissermaßen etwas hinterher.

Der Typ am Zapfhahn grinste unverschämt. Ein glattes »Drei Minus« im Vergleich zum »Zehn Plus«-Lächeln meines Gegenübers. Immerhin hatte ich seit dem Zusammenstoß meinen ersten grammatikalisch richtigen Halbsatz – mit Präposition, Personalpronomen, Partikel sowie Interpunktionszeichen – über die Lippen gebracht. Das beflügelte mich.

»Jetzt können wir in Stereo anstoßen«, schlug ich vor.

Zweite perfekte Wortmeldung und weit und breit kein Fettnäpfchen, einzig ein anhaltend perfekter Augenkontakt als Antwort.

»Das tun wir! An der gemeinsamen Getränkebestellung müssen wir noch arbeiten«, meinte er fröhlich. Himmel, das war vielleicht ein aufreizend-freches, vielversprechendes Lächeln. Der Bursche war ein echter Hingucker. So beschissen der Abend angefangen hatte, nun versprach er unterhaltsam und vergnüglich wie lange keiner mehr zu werden.

»Perfekt, perfekt, perfekt«, dachte ich, und in null Komma nichts waren wir in ein angeregtes Gespräch und unsere Gläser vertieft. Ausgehend von den unnötigen Schirmchen auf den Cocktails, über kleine Privatbrauereien, Vorteile des Handy-Parkens, wenn man das Ding ausnahmsweise zur Hand hat, Sternzeichen und Sinnlosigkeit von guten Vorsätzen.

Ich genoss es, wie er den Barmann ungeduldig abwinkte, der uns den »Cocktail des Abends« ans Herz legen wollte und wie der sich nach der Abfuhr mit einem gekränkten »Na, dann lass ich die zwei Frischverliebten ungestört« verzog.

Ich zuckte zusammen. Das Letzte, was ich wollte, war, mich zu verlieben. Aber ein wenig Spaß und lockeres Flirtgeplänkel sollte mir doch vergönnt sein?

»Kennst du den?«, fragte mein Vis-a-vis mit diesem schelmischen Grinsen, das mich dahinschmelzen ließ. »Sagt der Arzt zum Patienten: ›Trinken Sie mal vier Wochen keinen Alkohol, danach schauen wir, ob sich ihre Krankheit bessert.‹ Meint der Patient: ›Ich trinke lieber vier Wochen lang die doppelte Menge Alkohol, und hinterher werden wir sehen, ob meine Krankheit sich verschlimmert hat!‹ Haha.«

Ja, kannte ich natürlich, aber so, wie der den erzählt hat, musste ich einfach lachen. Und prompt meldeten sich meine prickelnden Gedanken.

»Was für ein Geschenk! Ich freue mich bereits aufs Auspacken«, überlegte ich, denn er hatte dieses verlockende Glitzern in den Augen mit dem mich lange, zu lange kein Mann mehr angesehen hatte.

Unvermutet zückte er sein Smartphone.

Leider nicht, um den Parkschein zu verlängern, sondern um auf die Zeitangabe zu schauen und entschuldigend zu seufzen: »So sehr ich den Abend mit dir genossen habe, doch mein Flieger geht morgen um 08:00 Uhr, und ich muss allmählich fertig packen. Eigentlich war ich schon im Gehen, bevor mein Abend aus heiterem Himmel (erneut dieses verführerische Blitzen in seinem Blick) um zwei Bier verlängert wurde.«

»Dienstreise oder Urlaub?«, forschte ich nach, um herauszukriegen, wann ich ihn wiedersehen würde. »Weder noch, Gastprofessur für zwei Jahre an einer Privatuni in North Dakota. Mach’s gut, und pass auf dich auf, dein Schutzengel hebt morgen selber ab!«

Und zwar, ohne mich um meine Telefonnummer zu bitten, bevor er entschwand. Diese Nacht hätte nach den gewöhnungsbedürftigen Speedromanzen absolut erfreulich enden können. Hätte! Wenn ich nicht die Gabe besäße, die falschen Männer anzuziehen wie ein Staubsauger Haargummis, Bleistiftstummeln und Nylonstrümpfe, die ihm zu nahe kommen.

Und Barkeeper, die mich teilnahmsvoll ansehen und süffisant murmeln »Hat wohl nicht ganz nach Wunsch geklappt!?«

Ich funkelte ihn giftig an und zahlte das nachfolgende Getränk auf den Cent exakt.

»Dabei sehen Sie echt heiß aus!«

Zu spät! Von mir bekam er kein Trinkgeld, keinen koketten Augenaufschlag, keine Antwort mit Flirtnote. Nicht einmal meine Mundwinkel wollte ich hochziehen.